15.10.2011: Weltweite Proteste und ein schäbiges Presseecho


Aus „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street“, ich berichtete in diesem Blog mehrmals darüber) und vor allem aus der sehr dynamischen spanischen Protestbewegung der „Idignados“ (der „Empörten“) hat sich eine weltweite Bewegung entwickelt.

Viel mehr Menschen als erwartet machten sich heute in über 80 Ländern auf den Weg, um ihrer Wut, ihrer Enttäuschung und ihrer Ratlosigkeit endlich eine Stimme zu geben! Auch in Deutschland waren Tausende auf den Straßen, wobei die Teilnehmerzahlen bis auf wenige Ausnahmen wesentlich höher waren als erwartet.

Rund 8.000 bis 10.000 Demonstranten in Berlin (wo vor dem Reichstag von Polizisten kräftig Pfefferspray versprüht wurde), ebensoviele in Frankfurt, mehr als 5.000 Menschen in Hamburg, und Tausende in Stuttgart, die vor der dortigen Börse das Lied von Mackie Messer sangen!

Im wohlstandsverwöhnten München kamen erwartungsgemäß nur rund 1.000 Menschen zusammen, die spontan am Stachus einen neuen Demonstrationstermin, den 12.11., vereinbarten.

Ebenso fanden Demonstrationen und Kundgebungen statt in Augsburg, Aurich, Bad Wildungen, Berlin-Kreuzberg (Mariannenplatz), Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Düsseldorf, Dresden, Erfurt, Erlangen, Freiburg, Greifswald, Gütersloh, Halle, Heilbronn, Itzehoe, Kassel, Köln, Kreis Mettman, Leipzig, Lörrach, Lübeck, Ludwigshafen/Mannheim, Lüneburg, Magdeburg, Münster, Nürnberg, Potsdam, Ravensburg, Reutlingen, Rüsselsheim, Saarbrücken, Saarlouis, Schwerin, Wetzlar, Wiesbaden und Wuppertal.

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Der 15. Oktober 2011 wird zudem rückblickend der Tag sein, an dem erstmals Menschen weltweit gleichzeitig auf die Straße gingen

  • gegen die Verantwortlichen der Finanzkrise, 
  • gegen die Macht der Banken und
  • gegen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich.
  • für mehr und echte Demokratie

Aus mehr als 80 Ländern und aus Städten wie Rom, Madrid, Paris, London, New York, Chicago, Washington, Denver, Boston, Sydney, Auckland, Wellington, Manila, Seoul, Tokio, Jakarta, Seattle, San Diego, Montreal, Athen, Zürich und vielen weiteren Orten werden Demonstrationen mit jeweils hunderten bis zu mehr als 100.000 Teilnehmern  gemeldet!

Laut Attac waren zum Beispiel alleine in Spanien mehr als 750.000 (!) Menschen auf den Beinen. Sehen Sie sich nur die folgenden, Gänsehaut auslösenden Bilder von der Puerta del Sol in Madrid an:

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Auffallend ist immer noch die an Schwachsinn grenzende Stimmungsmache mancher Massenmedien in Deutschland. Besonders hervor tut sich einmal mehr die Online-Ausgabe des Springer-Blattes „Welt“.  Der Redaktion scheint es ein großes Bedürfnis zu sein, hyperventilierende Kommentatoren von der Leine zu lassen, die mit polemischen Schmähtiraden über die Demonstranten herziehen:

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  • So ähnlich haben sicher auch Artikel in tunesischen und ägyptischen Staatsmedien bei Beginn der dortigen Revolutionen ausgesehen
  • Quelle: www.welt.de, 15.10.2011

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Ich sehe förmlich schon vor meinem geistigen Auge den „BLÖD“-Kolumnisten Franz Josef Wagner, der jetzt gerade bei der dritten Flasche Rotwein einen seiner üblichen 5-Zeilen-Briefe mit dem Titel „Liebe Empörte“ in die morgige Ausgabe seines Hetzblattes rotzt.

Den Vogel schoß freilich  „Welt“-Redakteur Ulf Poschardt ab: Unter der Überschrift „Protestieren mit Stil“ druckt die „Welt“ das Foto einer hübschen, blonden New Yorker Demonstrantin ab und schreibt dazu in der Subheadline…

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Nur auf den ersten Blick erstaunlich und geradezu kabarettreif ist die urplötzlich aufkommende Solidarität von CDU- und SPD-Politikern mit den Demonstrierenden.

So fordert Sigmar Gabriel (der ein oder andere Leser wird ihn vielleicht kennen, falls nicht ist das auch egal) auf einmal im SPIEGEL die Zerschlagung der Banken:

  • Tja, die „Geldbranche“ wird bei diesem „Frontalangriff“ wohl erstmal vor Lachen unterm Tisch liegen
  • Im Ernst: Wen interessiert es, was Sigmar..äh..Wernochmal fordert?
  • Quelle: www.spiegel.de, 15.10.2011

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Wir erinnern uns: Es waren SPD und Grüne, die unter Schröder und Clement (bzw. danach SPD und CDU mithilfe des selbsternannten  „Wirtschaftsfachmannes“ Steinbrück) DIE Finanzmarkt-DE-regulierungen durchgesetzt haben, von denen Lobbyisten in der FDP jahrelang nur feucht geträumt hatten!

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Aber genug des Ärgerns. Stellen wir lieber fest, dass der 15.10.2011 ein guter Tag war. Gut deshalb, weil es sein könnte, dass heute auch bei uns im Land die erste Basis für langfristige, echte Veränderungen gelegt wurde!

Wird Zeit, dass sich was dreht! – Denken Sie mal darüber nach.

11 Gedanken zu „15.10.2011: Weltweite Proteste und ein schäbiges Presseecho

  1. bei den bildern aus spanien läuft es mir kalt den rücken runter.

    diese bilder habe ich heute bei ***KEINEM*** deutschen fernsehsender gzu sehen bekommen!

    danke fürs hochladen!

  2. Was passiert denn, wenn Sie die Berichterstattung in den Medien zu dem Thema kritisieren?
    Nichts, Ihr Beitrag wird schlichtweg nicht veröfffentlicht – sprich wegzensiert im SPON.
    Vorige Woche schreib ich(sinngemäss) zweimal und soeben wieder:
    „Wochenlang wurden die Parkbesetzung und die Proteste wissentlich von den Medien verschwiegen. Jetzt versucht man eine neue Taktik, indem sie lächerlich gemacht werden sollen (99% blieben zu Hause, Karnevval, Wutbürger, Revoluzzer…) oder aber eine einzige Eskalation hochgespielt wird.“

    Keine Verletzung der Netiquette aber wegzensiert. Ein schäbigeres Presseecho ist wohl kaum denkbar.

    Artikel 5 GG Eine Zensur findet nicht statt

  3. „Von den Medien werden die Proteste der Einfachheit halber als Demonstration gegen die Macht des Bankensystems in Anlehnung an die amerikanische Protestbewegung „Occupy Wall Street“ dargestellt. In Wirklichkeit steckt jedoch weit mehr hinter der „Bewegung 15. Oktober“ als nur die Reaktion aufgebrachter Bürger auf die Selbstherrlichkeit von Banken und Finanzspekulanten.“

    http://jacobjung.wordpress.com/2011/10/15/bewegung-15-oktober-mehr-als-nur-protest-gegen-banken/

    • Hi Andreas!

      Vielen Dank für Dein freundliches Angebot. Aber im Moment nimmt mich der Blog hier schon so sehr im Anspruch, dass ich – jedenfalls zur Zeit – nicht noch für eine weitere Seite schreiben könnte.

      Was mich schon sehr freut sind die Zugriffszahlen hier, die pendelm momentan so um die 300 bis 400 pro Tag, obwohl das Blog erst 3 Wochen alt ist. Was mich noch nicht so freut ist die Tatsache, dass meine Leser für meinen Geschmack noch viel zu wenig hier auf der Seite kontrovers diskutieren.

      Lass uns einfach in Kontakt bleiben, vielleicht ergibt sich ja später mal eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit.

      Ich wünsche Dir erstmal viel Glück und viel Erfolg mit deiner Seite!

      Liebe Grüße
      Waldemar Meyer

  4. Lieber Waldemar,
    ich bin über einen der Kommentare auf Spiegel Online auf dich aufmerksam geworden.
    Deine Seite ist für mich die verständlichste, sachlichste, vertrauenseregende und einfach informativste Sammlung von Beiträgen zum Finanzwesen.

    Gruß Claus

    • Lieber Claus,

      herzlichen Dank für Dein sehr motivierendes Lob!

      Wenn das, was ich hier so von mir gebe, so bei Dir ankommt, dann ist genau das Ziel erreicht, das ich erreichen möchte: Nämlich

      – OFFEN und GLAUBWÜRDIG zu kommunizieren und
      – komplizierte, manchmal sogar verwirrende Sachverhalte in eine
      VERSTÄNDLICHE SPRACHE zu bringen!

      Ich lade Dich herzlich ein, auch weiterhin regelmäßig diese Seite zu besuchen und wenn Du möchtest, registriere Dich einfach auf der Startseite rechts, dann erhälst Du automatisch eine kurze E-Mail, sobald ein neuer Artikel eingestellt wird.

      Herzliche Grüße!
      Waldemar

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