Es spricht: Die werberelevante Zielgruppe


Der griechische Ministerpräsident Tsipras weilt zum Staatsbesuch in Moskau und die „Welt“ schreibt, die „Verachtung“ sei „Putin ins Gesicht geschrieben“ gewesen.

Dies habe man unter anderem daran erkannt, dass der russische Präsident mehrere Male in die Luft gesehen habe, als Tsipras seine Stellungnahme abgab. Zudem sei dies an seinem „gelangweilten Gesichtsausdruck“ abzulesen gewesen.

Liebe Welt, was lest Ihr denn wohl regelmäßig aus dem Gesichtsausdruck von Frau Merkel…? Mir fiele da spontan so einiges ein, wobei „gelangweilt“ eines der harmloseren Adjektive wäre. Wieso konzentriert Ihr Euch nicht auf das Darstellen von Fakten? Weshalb müssen es wüste Interpretationen sein?

Es ist diese Art von strikter Einseitigkeit, Null-Information und Polemik, die immer mehr Menschen alleine schon beim Lesen der Überschriften zum Gähnen animiert. Schaut man dann auch noch im Sub-Head nach, wer den Artikel geschrieben hat, nämlich > Julia Smirnova, eine Journalistin, die eine Garantin für einseitigste Kontra-Rußland-Berichterstattung zu sein scheint, dann wird aus dem Gähnen ein schnelles Wegklicken.

Ich weiß ja nicht für wie bescheuert Ihr uns Leser haltet? Aber clevere, eingängige Propaganda sieht definitiv anders aus! Ich erlebe solche „Smirnova“-Artikel mittlerweile nur noch als Beleidigung meiner Intelligenz.

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Ekel beim Blick auf Titelseiten

Reihenweise regen sich Menschen in Deutschland über die erbärmliche Berichterstattung zum Germanwings-Absturz auf.

Quelle: www.bildblog.de

Quelle: http://www.bildblog.de // Alle Bilder wurden erst von der Redaktion von bildblog.de verpixelt

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GW2

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twitter

Entnommen aus: http://www.bildblog.de

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Der deutsche Presserat hat bezüglich Germanwings mit über 400 so viele Beschwerden auf dem Tisch, wie noch nie.

Das sollte doch bitte endlich Gelegenheit geben, inne zu halten. Manche tun dies und ziehen ihre Konsequenzen:

Der Journalist Hans Hoff erklärt seinen Abschied vom Journalismus

Der Journalist Hans Hoff erklärt seinen Abschied vom Journalismus

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Fehlende Einsicht und infame Unterstellungen

Anders dagegen spiegel-online, vertreten durch Jan Fleischhauer: Anstatt die Kritik an der absolut widerwärtigen Berichterstattung zu Germanwings auch nur ansatzweise ernst zu nehmen, polemisiert er gegen das, was er als „alternative Medien“ bezeichnet und unterstellt, „Wenn man auf den Punkt bringen soll, was die Verächter des „Mainstream-Journalismus“ verbindet, dann ist das der Zorn auf die da oben.

Sorry, guter Mann. Dieser Satz ist ignorant und sagt, wenn überhaupt nur etwas über Dein lächerlich elitäres Selbstverständnis aus (das Sie spare ich mir bewußt an dieser Stelle).

So sieht also Einsicht zur Germanwings-Berichterstattung aus...!?

So sieht also Einsicht zur Germanwings-Berichterstattung aus…!? // Quelle: http://www.spiegel.de

Auch die Unterstellung, es gebe „Wut“ auf Journalisten, kann ich so nicht unterschreiben. Aus meiner Wut wird allmählich Gleichgültigkeit.

Wieso soll ich BILD.de lesen, wenn ich keine Lust auf Volksverhetzung habe? Wieso soll ich einen Rußland-Artikel der Welt lesen, wenn ich mich darauf verlassen kann, dass dieser meinungstriefend einseitig geschrieben sein wird? Wieso soll ich mich (wie früher) auf spiegel.de informieren, wenn ich vorher schon weiß, dass ich nie ein vollständiges Bild erhalten werde, um mir eine eigene Meinung bilden zu können. – Wie es SPIEGEL-Autor Pavel Lokshin kurz nach dem Nemzow-Mord formuliert hat: >“Wer wirklich dahintersteckt, wird wohl für immer das Geheimnis des korrupten russischen Sicherheitsapparats bleiben. (Auf gut deutsch: Die russischen Behörden können sagen, was sie wollen, wir werden sie ohnehin nicht ernst nehmen.)

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Planlos, primitiv und zunehmend irrelevant

Die Gleichgültigkeit der potenziellen Nutzer gegenüber Eurem Produkt, liebe Fleischhauers und Co., sie ist es, die neben der allgemeinen Medienkrise richtig gefährlich für Euch werden kann.

Eine immer größere Bewegung nimmt Abschied von den herkömmlichen Medien in Deutschland und diese scheinen nichts, aber auch rein gar nichts zu begreifen.

Auflagenzahlen der BILD. Die selbsternannte

Auflagenzahlen der BILD. Die selbsternannte „Volkszeitung“ wird zunehmend vom Volk ignoriert. Quelle: http://www.wikipedia.de

Wir werden auf eine Art und Weise mit Müll zugeschüttet, als wären wir dämliche Lemminge, die absolut nichts mehr reflektieren und verstehen könnten. Gleichzeitig ergießt sich über einen nicht eben kleinen Teil der Leser regelmäßig ein Schwall von Beschimpfungen: „Putin-Versteher„, „Rußland-Versteher„, „Gutmensch„, „Verschwörungstheoretiker„, „Gier-Griechen„, „Wer ist gefährlicher? Der Russe oder der Grieche?„. Es goebbelt mal wieder in deutschen Redaktionsstuben.

Wer soll denn bitte die Zielgruppe all dessen sein? Für wie blöd haltet Ihr Eure Rezipienten?

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Lösungswege?

Was könnte jemanden, wie mich dazu bringen, zum Beispiel wieder SPIEGEL zu kaufen und zu lesen? Ich würde frohlocken, wenn der SPIEGEL wieder umfassende Reportagen bringen würde, wie in den 80er Jahren. Noch heute macht es eine ungeheure Freude im Heftarchiv zu blättern. So war etwa der SPIEGEL bezüglich der Länder im Osten damals, wie alle bundesdeutschen Leitmedien stramm auf Anti-Kommunisten-Linie. Daher veröffentlichte er keine Artikel darüber, welche Dinge im Ostblock schön, angenehm, lebenswert waren. Aber zumindest die Beschreibungen der negativen Seiten der UdSSR, Rumäniens etc. waren meist sehr intensiv recherchiert und zutreffend (wie man im Nachhinein gut überprüfen kann). Heute reicht ein Anruf bei Geschäftspartnern in Moskau, die mit dem Kopf schütteln und mitleidvoll Lächeln, wenn sie von mir hören, welche Meldungen über Rußland gerade wieder durch Deutschland geistern.

Es war Recherche und es war das direkte, weitgehend unkommentierte nebeneinander Darstellen konträrer Meinungen, was solides journalistisches Handwerk ausmachte. Selbst in den schlimmsten Zeiten des kalten Krieges kamen im SPIEGEL regelmäßig Vertreter der Sowjetunion in ernsthaften und keinesfalls diffamierend dargestellten Interviews zu Wort.

Was braucht man dazu, um die Qualitätskrise im deutschen Journalismus beenden zu können?

  • Man muß Redakteuren feste, unbefristete Arbeitsverhältnisse bieten und keine Zeitarbeitsverträge oder „freie Mitarbeit“
  • Man muß seine Redakteure sehr gut bezahlen, um sie finanziell nicht angreifbar für „Zusatzjobs“ zu machen
  • Man muß sich als Chefredaktion und Herausgeber stets und ohne Abstriche hinter seine Redaktion stellen – auch, wenn kalter Wind von Seiten der Wirtschaft oder der Politik bläst.
  • Man führt im Online-Journalismus die Regel „Qualität vor Schnelligkeit“ ein
  • Und man sollte sich zu Gemüte führen, dass die Meinung eines Journalisten weitgehend egal ist.

Unterhält man sich unter vier Augen mit Journalisten aus TV, Radio, Print, oder gar Online, dann erfährt man schnell, dass kein einziger der oben genannten Punkte heute die Regel ist.

Man sollte sich genau überlegen, ob man an diesem Zustand festhalten möchte. Ich habe in meiner frühen Berufslaufbahn im Marketing einer Bank von meinem damaligen Marketingleiter eine Weisheit mitbekommen, die wohl das Beste ist, was man über das Verhältnis zur eigenen Zielgruppe sagen kann: „Du darfst Deine Kunden nie mit Müll zuscheißen!

Denkt mal darüber nach!

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Ein Gedanke zu „Es spricht: Die werberelevante Zielgruppe

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