Liebes GLS-Team,


folgenden Paket-Zettel fand ich heute Abend an der Haustüre des Hauses, in dem ich wohne – ein 10-Parteien-Wohnhaus…

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GLS Paket-Zettel - im außergewöhnlich schreibökonomischen Stil

GLS Paket-Zettel – in bestechend schreibökonomischem Stil

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"NO 252" - lebt? Und, wenn ja: Wo? Etwa in "Loto"?

„NO 252“ – lebt? Und, wenn ja: Wo? Etwa in „Loto“?

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Bemerkt ihr etwas, liebes GLS-Team?

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Frage:

WER von den 10 Mietparteien soll sich denn nun auf den Weg machen und WAS abholen? Und überhaupt: WO??

Jetzt bin ich es ja durchaus schon gewohnt, dass ein GLS-Fahrer grundsätzlich nie klingelt, sondern immer gleich einen Zettel an die Haustüre klebt. Und was haben wir schon für wundervolle „GLS-Abende“ verbracht: wenn die Tage kürzer wurden und die ganze Familie im trauten Kreise vor dem Kamin saß und bei einer guten Tasse heißen Tees reihum versuchte einen bis zur Unkenntlichkeit verkrakelten Paketzettel zu entziffern – ein unterhaltsamer Spaß für jung und alt!

Nicht zu vergessen die amüsanten Fahrten zwecks Selbstabholung ins abgelegene GLS-Paketdepot – eine gelungene Abwechslung, um etwas Schwung in fürchterlich langweilige Arbeitstage zu bringen!

Aber was bitte, liebes GLS-Team, was soll ich denn mit dem Zettel von heute anfangen?

Soll ich…

  • …alle Nachbarn zusammentrommeln und bei einer stimmungsvollen Runde „Flaschendrehen“ den Nachbarn ermitteln, der stellvertretend für das ganze Mietshaus auf Reise gehen darf, um die ominöse „No. 252“ herauszufinden…?

Oder soll ich vielleicht…

  • den Zettel stillschweigend verschwinden lassen und hoffen, dass es sich nicht um ein Päkchen handelt, das an mich adressiert war?

Oder sollte ich besser…

  • ein paar Tage Urlaub nehmen, mir ein Klappbett in den Hausflur stellen und darauf warten, dass ich bei nächstbester Gelegenheit den GLS-Fahrer zu Gesicht bekomme und ihn solange foltern kann, bis ich aus ihm die Daten herausquetsche, die eigentlich auf diesen Zettel gehören?

Ich könnte naürlich auch einfach…

  • den Zettel wieder an die Haustüre hängen und darunter einen weiteren Zettel mit einem dicken, fetten „HÄÄÄÄÄ?“ kleben!?

Ach herrje, sooo viele Möglichkeiten…! Das muß wohl „freie Marktwirtschaft“ und „Wettbewerb“ sein: Wenn man als Kunde so viele Optionen hat, dass man gar nicht mehr weiß, wofür man sich entscheiden soll.

Liebes GLS-Team, bitte hilf doch mir armem Verbraucher, der so naiv ist, dass er sich darauf verlässt, dass ein Unternehmen, welches Pakete zustellt, das tut, was es verspricht, nämlich: Pakete zustellen!

Vielleicht eine kleine Anregung, sozusagen als Verbesserungsvorschlag: wenn das Paketgeschäft so unrentabel ist, dass es sich schlicht und einfach nicht lohnt, Pakete zuzustellen… dann spart Euch doch dieses Geschäft einfach. Es gibt so schöne Wälder, Deponien, Seen und Kiesgruben, in denen ihr die ganzen nervigen Päckchen Tag für Tag schnell und hygienisch entsorgen könnt. Wer weiß, vielleicht habt Ihr Eure leidgeprüften Kunden bereits so gut „erzogen“, dass sie, anders als ich, es gar nicht mehr erwarten, etwas von Euch zugestellt zu bekommen? Warum dann also erst einen „Zustellversuch“ wagen?? – Hinfort mit dem ganzen Plunder! Das wäre doch eine klassische „Win-Win-Situation“ für beide Seiten!

Mal im Ernst: Ein Günter Wallraff hat nicht umsonst (und auch nicht als Erster) festgestellt, dass die Arbeitsbedingungen für Eure Ausfahrer unter aller Kanone und schlichtweg menschenverachtend sind: >>Paketdenste – Wechseln Sie einfach!

Wer Menschen als freie Mitarbeiter beschäftigt und ihnen sowenig zahlt, dass sie bei einem absoluten Knochenjob auf deutlich weniger als 10 Euro die Stunde kommen, der braucht sich nicht zu wundern, dass jede Form von Qualität und Service Level Agreement auf der Strecke bleibt.

Denken Sie mal darüber nach!

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Paketdienste: Wechseln Sie einfach!


Enthüllungsjournalist Günter Wallraff sorgt in diesen Tagen wieder einmal für Furore: er hatte sich als Paketbote beim Dienstleister GLS eingeschleust und eine zeitlang mitgearbeitet.

Wallraffs Erfahrungen: (Zitat aus FAZ.de) „…Wer denkt schon daran, dass das Paket jemand ausliefert, der 3,14 Euro brutto die Stunde verdient und zwölf bis vierzehn Stunden pro Tag malocht?… Der Tag beginnt morgens um fünf und endet nicht vor sieben, acht Uhr abends. Dazwischen wird tonnenweise ein- und ausgeladen, ein- und ausgeladen, nicht für die kleinste Pause bleibt Zeit, das Fahrtenbuch – von den Fahrern „Märchenbuch“ genannt – wird geschönt, und zwischendurch kommen neue Befehle aus der Zentrale. Dabei braucht es „gar keinen Antreiber“, erkennt Wallraff, „es ist das System.“

Am Ende des Monats bleiben dem Fahrer, 1300, 1400 Euro brutto. Und den Subunternehmern, die GLS beschäftigt, bleibt unter Umständen noch weniger als das. Sie stehen im Risiko, vor allem im finanziellen, und tragen die Verantwortung. Es sind ehemalige Fahrer, denen man, wie im Film geschildert wird, weisgemacht hat, dass sie das große Geld verdienen und die am Ende mit horrenden Schuldsummen dastehen. Ein Kommen und Gehen und Auspressen, solange, bis die Arbeitnehmer am Ende sind, so schildert es Wallraff: ein ausgeklügeltes System der Ausbeutung, begünstigt durch das Fehlen eines gesetzlichen Mindestlohns und gipfelnd in einem perversen „Bußgeldkatalog“, mit dem GLS angeblich seine Mitarbeiter – die streng genommen gar keine sind, sondern Angestellte der Subunternehmer – gängelt und einschüchtert.“

Günter Wallraff dokumentiert damit Mißstände, die jedem längst klar waren, der sich auch nur einmal zwei Minuten konzentriert mit einem Paketfahrer unterhalten hat! Es ist absolut widerlich und abscheulich miterleben zu müssen, welche Auswüchse moderner Renditewahn und sogenanntes „betriebswirtschaftliches Denken“ verursachen können. Leider handelt es sich bei den entsprechend ausbeutenden Paketdiensten um keine Ausnahme! Die mehr als 6 Millionen Niedrigstlohn-Jobber in Deutschland (Friseurinnen im Ruhrgebiet und in Ostdeutschland, Pflegekräfte, Küchenhilfen, Reinigungskräfte etc. etc..) können ein schauderliches Lied davon singen!

Was können wir als Verbraucher und Paketversender machen?

In diesem Fall ist es erfreulich einfach: wechseln Sie den Paketdienst. Während viele Versandunternehmen angeblich zu nahezu 100% ausschließlich mit sogenannten „Subunternehmern“ arbeitet, hört man aus Gewerkschaftskreisen, dass vor allem DHL größtenteils Tariflöhne, teilweise auch übertariflich bezahlen soll (der Vollständigkeit halber: dies gilt allerdings erst nach einer ziemlich schikanösen „Einarbeitungsphase“)

  • Es reicht aus, wenn wir als Verbraucher zu einem fair bezahlenden Anbieter wie z.B. DHL wechseln.
  • Versenden Sie ausschließlich über diesen Anbieter.
  • Kaufen Sie bei keinem Ebay-oder sonstigen Händler mehr, der nicht über diesen Anbieter versendet.

Sie sehen: Manchmal funktioniert Marktwirtschaft verdammt einfach. Wir müssen es einfach nur machen!

 

Doch es bleiben Fragen:

  • Wann bekommen wir die Namen der Bekleidungshersteller, die NICHT Arbeiterinnen in Bangladesh bis zum Umfallen ausnutzen?
  • Wann erfahren wir, welcher Wurstfabrikant seine Tiere vernünftig füttert und aufwachsen lässt, sodass wir nicht nach jeder Scheibe Salami befürchten müssen, die Krätze zu bekommen?
  • Wo können wir nachlesen, welche Bank ihre Kundengelder nutzt, um damit wirklich sinnvolle Projekte und Firmen zu finanzieren?

Und: Warum ist noch niemand auf die Idee gekommen, eine Website zu eröffnen, in der genau diese Informationen kurz und knapp zu finden sind? Warum gibt es noch kein Bonuskartensystem, bei dem wir nur bei solchen Anbietern Punkte sammeln können, die fair und nachhaltig wirtschaften?  – Viele Verbraucher würden es dankbar nutzen.

Marktwirtschaft kann manchmal so einfach sein. Denken Sie mal darüber nach!